Was gibt es Schöneres als Bergtouren im Winter?
Tourenplaner, Gruppenführer und Veranstalter stehen im Winter oft vor der Herausforderung, Abwechslung und Sicherheit miteinander zu kombinieren.
Vielleicht hast Du bisher mit einfachen Bergtouren-Planungs-Apps gearbeitet und fragst Dich, was Du im Winter zusätzlich beachten solltest? Hier zeige ich Dir, wie ich seit über 10 Jahren Wintertouren plane und was ich dabei beachte:
Die richtige Planungs-Software
Ich rate zu Apps/Planungs-Tools, die alle wichtigen Informationen an einem Ort zusammenführen. Ich organisiere seit 2013 Bergtouren und meiner Erfahrung nach fehlen den meisten Apps wichtige Funktionen, beispielsweise die Hangneigung. Ich verwende Outdooractive, auch als Alpenvereinaktiv bekannt. Der Dienst ist jeweils über Webseite und App zugänglich, ich verwende das Pro+ Abo, welches alle Funktionen freischaltet, mehr Details findet ihr hier: Outdooractive - Pläne.
Aktuelles Kartenmaterial verwenden
Verwende für die Wege-Planung Karten, die auf OpenStreetMap (OSM) basieren. In Outdooractive dort gibt es die einfache Möglichkeit, zwischen verschiedenen Karten zu wechseln. Dies geht auch während einer Planung, indem Du - wie im Bild gezeigt - per Mausklick oder Finger am Handy die verschiedenen Karten auswählst. Du wirst feststellen, dass sich die dort angezeigten Wege je nach Karte unterscheiden, das liegt an der Datenbasis der Karten. Die kostenpflichtige Outdooractive-Karte basiert auf offiziellen Daten, die teils veraltet sind, wir brauchen diese Karte aber trotzdem im nächsten Punkt.
OpenStreetMap-Karten sind meiner Erfahrung nach bei den Wegen deutlich präziser und aktueller. Auch ich pflege Änderungen dort ein, beispielsweise wenn ein bach-naher Weg durch diesen weggespült wurde und sich ein neuer Weg etabliert hat. Gelegentlich kommt es vor, dass ich in der OSM-Karte mit der automatischen Planung keinen Weg finde, weil im Kartenmaterial ein Wegstück als nicht passierbar vermerkt ist.
Beispielsweise konnte ich keine Route von der Aueralm zum Gasthof Sonnenbichl planen, was nun wieder möglich ist: https://out.ac/IPVvnE.
Tatsächlich könnte es den Weg nicht mehr geben, was eine OSM-basierte Karte meist binnen weniger Monate abbildet. Hilfreich kann auch sein, auf eine Wegsperrung zu prüfen, dazu kann man sich in Outdooractive immer die Zusatzebene "Hinweise und Sperrungen" einblenden, manchmal ist es aber ein Bug in der Karte, dann wechsele ich zur Karte "Outdooractive" und plane dieses Teilstück dort. Allerdings nur, wenn ich mir aufgrund Ortskenntnis sicher bin, dass es sich um einen Bug in der Karte handelt.
Hangneigung beachten - Absturz-/Lawinengefahr vermeiden
Ein sehr wichtiger Parameter für die Tourenplanung ist die Hangneigung. Du oder Mitwanderer können auf einem Grat einen Hang hinabstürzen. In Outdooractive kannst Du Dir den Layer "Hangneigung" einblenden und bekommst die Hangneigung farbig angezeigt: re joter, desto steiler ist der Hang (eine Legende ist am linken Rand aufrufbar). Die Daten kommen aus der jeweiligen Karte, meiner Erfahrung nach ist die Hangneigungs-Ebene der Outdooractive-Karte deutlich detailreicher, als dies bei OSM der Fall ist, daher schalte für die Beurteilung der Hangneigung auf die Outdooractive-Karte um. Das geht übrigens auch am Handy.
Das Beispiel zeigt, das die hier geplante Route (die Wegplanung geschah mit der OpenStreetMap-Karte) im Bereich Lausbichl durch sehr flaches Gelände führt, in der linken unteren Ecke ist die Hangneigung stärker.
Anhand der Höhenlinien können wir sehen, dass der Hang nach links abfällt, da die Höhenangaben hier sinken. Wäre der Hang über unserem Weg liegen, könnte dies Lawinengefahr bedeuten.
Etwas einfacher können wir Hangneigungsrichtung mit der Ebene "Hangausrichtung" betrachten, dazu sollte man etwas aus der Karte herauszoomen, um die Schattierungen gut erkennen zu können.
Nun wissen wir also, in welche Richtung der Hang abfällt und sehen, ob wir uns neben der Absturzgefahr auch mit der Lawinengefahr beschäftigen müssen.
Ist dies der Fall, lässt sich die Ebene "Lawinenlage" einblenden. Im folgenden Beispiel war im Bereich der hier gezeigten Tour keine Lawinenwarnung gemeldet, so dass ich für das Beispielfoto weit herauszoomen musste.
Ich empfehle, sich ausnahmslos an die Verhaltensempfehlungen bei Lawinenlage zu halten. Informationen zur Lawinenlage findest Du beispielsweise beim Alpenverein, dort gibt es links zu den Lawinenwarndiensten in Deiner Region, beispielsweise zum Lawinenwarndienst Bayern. Die Lawinenwarnlage wird in 5 Stufen angezeigt, statistisch geschehen die meisten Lawinenunfälle aber nicht bei Stufe 5, sondern in den geringeren Stufen. Sehr empfehlenswert für Tourenplaner- und Gänger von Wintertouren ist beispielsweise ein LVS- oder Lawinen-Seminar, bei dem Du in die Materie eingeführt wirst. Diese Seminare werden auch von vielen Ski/BergSchulen in hoher Qualität angeboten, beispielsweise bei der Alpinwerkstatt, die ich den Angeboten des DAV vorziehen würde.
Ich halte es im Winter so: Lawinengefahr auf jeden Fall umgehen. Das bedeutet, dass ich bei Lawinengefahr nur auf Forstwegen durch flaches Gelände gehe und darauf achte, dass der Forstweg nicht lawinengefährdet ist, also nicht an einem höhergelegenen Hang liegt.
Als Beispiel sei hier der einfache Aufstieg zur Aueralm genannt:
Wie man hier sehen kann, ist praktisch keine relevante Hangneigung vorhanden und der Weg diesbezüglich sicher.
Meistens ist die Lage aber nicht so klar, wie beim Aufstieg zur Aueralm. Als Beispiel soll der Forstweg zur Kala-Alm dienen, der im Winter auch als Rodelbahn benutzt wird und der ein Gebiet mit Hangneigung passiert:
Neben einem Anruf auf der Alm zum erfragen der Begehbarkeit des Weges lohnt ein Wechsel der Ansicht auf "Satellit":
Wie man sehen kann, ist das Gebiet dicht bewaldet. Man sollte nun aber nicht dem pauschalen Irrtum unterliegen: "Da wo Wald ist, bin ich vor Lawinen sicher", vielmehr kommt es auf verschiedene Parameter an. Lest hierzu gerne: Bergwelten.com: Gefährliches Halbwissen: 6 Irrtümer über Lawinen unter Punkt 4.
2 weitere Hilfreiche Ansichten, um ein Gefühl für die Begebenheiten in Bezug auf Hangneigung zu bekommen, sind die Ansichten "Flyover" (nach Abschluss der Planung verfügbar) und "3D", wobei 3D meiner Erfahrung nach selbst auf leistungsstarken Laptops etwas Geduld braucht:
Die Umschaltung auf "3D" lässt sich wieder mit verschiedenen "Stilen" (Winter, Sommer usw.) kombinieren.
SchneeHöhe/Tiefe und Wetter
Ihr wisst nun, wie der Berg und der Weg prinzipiell "aussehen", aber noch nichts über die Schneetiefe/Höhe vor Ort. Ich orientiere mich hierzu zuerst auf Webcams in der Nähe meines Ziels. Im nördlichen Mangfallgebirge empfehlen sich die Webcams Wendelstein Ost und Sudelfeld, da hier die Höhen bekannt sind und man die dort gezeigten Verhältnisse auf Gipfel in der Nähe grob übertragen kann. Tiefer in den Bergen siehts dann schlechter aus, weil es oft keine Webcams gibt. In Richtung Ammergauer Alpen ist die Webcam "Eibsee Nord" nützlich, da man hier gut sehen kann, in welchen Höhenlagen Schnee liegt.
Webcams, wie am Sudelfeld, die auch Objekte (Geländer, Bänke) abbilden, ermöglichen manchmal eine Einschätzung, wie hoch der Schnee auf diesen Objekten liegt. Gebt einfach in Google ein "Webcam <Region", dies führt aber nicht immer zum Erfolg. "Webcam zahmer Kaiser" beispielsweise führt Euch nicht zur Webcam am Pendlinghaus, diese bietet aber eine sehr gute Sicht auf einen Teil beider Kaiser-Gebirge. Hier sollte man also nach Webcams in der Region suchen, von der aus man das gewünschte Gebirge sehen kann. Wenn man Glück hat, zeigt eine Webcam in die Richtung des gewünschten Berges.
Im Bereich Achensee gibt es zahlreiche Webcams, die kann man alle durchprobieren. Webcams in Mittenwald bieten teils einen guten Blick auf die umliegenden Berge. Das Prinzip lässt sich auf viele Regionen anwenden, da die meisten Winterwanderer nicht so tief ins Gebirge eindringen.
Wer statt der Google-Suche einen strukturierten Einstieg sucht, dem sei https://www.foto-webcam.eu/ empfohlen, dort findet man aber bei weitem nicht alle Webcams. Ein großer Vorteil der Seite ist, dass man am unteren Rand den Zeitpunkt wählen kann und so das Bild von der gewünschten Tageszeit erhält. Sehr hilfreich, wenn man beispielsweise nachts plant, oder es gerade nebelig ist.
Im Beispiel wird das Bild der Webcam Pendling-Ost vom 27.11.2024 um 13 Uhr angezeigt: https://www.foto-webcam.eu/webcam/pendling-ost/2024/11/27/1300, zum aktuellen Bild gelangt man so: https://www.foto-webcam.eu/webcam/pendling-ost/
Beobachtet man diese Webcams über mehrere Tage und kombiniert dies mit der Wettervorhersage (kommt Neuschnee, taut es?), erhält man eine Orientierung, wie es am geplanten Tag vor Ort aussehen könnte.
Bei den Wetterdiensten gibt es gravierende Unterschiede. Erfahrene Planer setzen auf mehrere Dienste, für Angaben wie erwartete Schneemenge und Schneegrenze (Höhe, unter der Niederschlag als Regen niedergeht - oberhalb als Schnee) setze ich das DAV Bergwetter, welches seine Daten von GeoSphere Austria (ZAMG) erhält. Die Vorhersagen bieten meiner Erfahrung nach mit Abstand die beste Vorhersage und sind mit kostenlosen Wetter-Apps nicht vergleichbar. Ein Nachteil des DAV-Bergwetter ist, dass er keine sehr kurzfristigen Vorhersagen bietet. Ich verwende für kurzfristige Regen-Vorhersagen den Wetter-Radar von WetterOnline Pro, beispielsweise wenn es um eine Feierabendtour im Sommer geht und unklar ist, ob es regnen wird, oder nicht.
Lest hierzu auch mal diesen sehr interessanten Beitrag über die Qualität von Wetter-Vorhersage-Modellen in der Wirtschaftswoche: Wiwo: „Das ist die erbärmlichste Wettervorhersage, die man haben kann“, danach seht ihr Wetter-Apps mit anderen Augen.
Die beste Wetter-App schützt aber nicht davor, dass das Wetter dann doch ganz anders ist, daher plane ich bei Wintertouren immer mit ein, dass wir das Ziel nicht erreichen - aber trotzdem draußen waren, oder wir kurz vorher auf eine andere Region oder einen besser begehbaren Weg umplanen.
Die Wettervorhersage anhand der Standard-App Deines Handy 1 Woche vorher abschätzen zu wollen, führt meiner Erfahrung nach zu Fehleinschätzungen. Ich empfehle, am Vortag die Wetterlage anhand Webcam, DAV-Bergwetter und den im nächsten Punkt beschriebenen Tool einzuschätzen.
Hilfreich ist auch die Facebook-Gruppe "aktuelle Tourenbedingungen - Alpine Auskunft", dort posten Bergsteiger und Wanderer Informationen zu aktuellen Bedingungen und man kann auch aktiv nachfragen.
Schneetiefe-Messung per Satellit
Webcams und Wetterdienst bieten Anhaltspunkte, der erfahrene Wintergeher weiß aber, dass die Schneehöhe von Tal zu Tal oder von Senke zu Senke stark variieren kann. So kann ein Teil der Tour mit einer Senke voller Schnee oder einem Steilhang die Wintertour verhageln.
Outdooractive bietet dazu seit einigen Jahren eine Ebene "Schneehöhe", die auch in der App verfügbar ist. Die Daten stammen von Satelliten und sind mit den gleich genannten Einschränkungen in der Regel ganz gut nutzbar. Bei angezeigten 20cm bewegt man sich in der Regel auch in diesem Bereich, muss aber beachten, dass die Daten in der Fläche interpoliert werden und es auf dem Weg immer wieder zu Abweichungen kommen kann, beispielsweise bei Senken durch Bachläufe oder Schneeverwehungen. Ich rechne in der Regel mit 10cm Abweichung.
Am PC kann man in die Karte klicken und bekommt manchmal die Schneehöhe in cm angezeigt, oft aber auch nur "0cm". In der App gibts diese Funktion gar nicht, also sollte man sich immer an der Farblegende orientieren. Was im Winter 23/24 vorkam: Die Daten wurden nicht aktualisiert und ein alter Stand angezeigt-
Das kostenpflichtige Feature kann also bei der Zuverlässigkeit noch zulegen, trotzdem arbeite ich gern damit, weil die Farben auf der Karte eine Abschätzung der Schneehöhe ermöglichen. Man sollte an mehreren Tagen reinschauen, um zu sehen, ob sich etwas ändert - also wirklich neue Daten vom Datenlieferant "Exolabs" eingespielt werden.
Wenn es denn mal funktioniert, dann wird die Schneetiefe beim Klick in die Karte angezeigt. Das folgende Foto zeigt die Schneetiefe-Angabe am Vortag der Tour, auf der das Titelbild des Beitrags gemacht wurde. Gut sichtbar ist, dass am Start der Tour laut diesen Daten kein Schnee lag, tatsächlich lagen dort ca. 3cm Schnee.
Die Verwendung der Screenshots von Outdooractive wurde durch Outdooractive genehmigt. Die Rechte der Fotos "Rehberg-Alm" und "LVS-Kurs" liegen bei mir.